Boilerrum - der erste künstlich gereifte Rum in Deutschland

So, nun habe ich den ersten künstlich, sprich in einem thermischen Verfahren, gereiften Rum vor mir stehen. Den Boilerrum. Die erste Frage für mich war schon, ist das ein Craft Spirit? Definitiv ja. In kleinen Chargen hergestellt und nun wirklich was spezielles! Die zweite Frage, lässt sich ein Unterschied zwischen richtiger Holzfasslagerung und Reifung mit einem thermischen Verfahren feststellen? Meiner Meinung nach, ja!

Nun aber mal zu den Details. Hinter der ganzen Sache steht die Nanotrade GmbH mit Deniz Quick und Marcel Gassert. Diese haben ein thermisches Verfahren erfunden, mit der sich in wenigen Wochen die chemische Alterung von 10 Jahren vollziehen lässt. Das ist doch für Europa fast revolutionär. In den USA gibt es seit 2014 schon Bryan Davis' Lost Spirits, die etwas ähnliches machen.

Weiter zum Boilerrum. Die Flasche steht vor mir und es blickt mich das Klonschaf Dolly mit blauen Augen an. Wie klone ich einen 10-jährigen Rum? Mit Melasse aus der Karibik, einer 8-fachen Destillation, einem speziellen Aromverfahren, das die Hölzer von Hickory, alter Eiche, Zeder und alten Sherryfässern integriert und dem Boiler-Verfahren, das für die "Alterung" verantworlich ist. Nun muss ich aber gestehen, dass das Wort "klonen" für mich eher negative Assoziationen weckt.

Jetzt aber zum eigentlichen Rum: In der Farbe blassgold, im Geruch Tabak, Vanille, Gewürzaromen, insbesondere Zimt und Zitrusaromen. Insgesamt ein frisches, rumtypisches Aroma. Relativ komplex. Das macht Freude auf mehr. Sobald ich den Boilerrum auf der Zunge habe, fällt mir die leicht ölige Konsistenz auf. Ebenfalls wieder Tabak- und Zitrusnoten, die sich jedoch mit stärkerem Holzeinfluss vermischen. Das darf man von "10 Jahren Alter" auch erwarten. Allerdings fehlt mir hier die Harmonie einer gut eingebundenen Fassreifung. Der Abgang ist mitellang und mir bleibt eine etwas belegte Zunge zurück. Mein Fazit: Der Geruch verprach viel, was der Geschmack nicht halten konnte. Es gehen leider Komplexität und Volumen am Gaumen verloren. Nun ist dieser Rum mit Sicherheit nicht für Rum-Kenner gemacht, denn da lass ich mich nicht davon abbringen, dass eine mehrjährige Interaktion von Destillat und Holz doch noch einen anderen Charakter im endgültigen Produkt hinterlässt, als ein thermisches Vefahren!

Ich habe gehört, dass in der Zukunft auch ein mit diesem Verfahren gereifter Whisky geplant ist. Lassen wir uns überraschen.